
Der Wettbewerb in der Automobilindustrie ist hart – und das gilt für die gesamte Wertschöpfungskette. Hella ist ein wichtiger Zulieferer dieser Branche, daher bestimmen diese Bedingungen den täglichen Betrieb des Unternehmens. Kein Wunder, dass die schlanke Fertigung eine unserer obersten Prioritäten ist. Das bedeutet, dass wir ständig auf der Suche nach Technologien und Werkzeugen sind, mit denen wir den Betrieb unserer Montagelinien noch weiter optimieren können.
Dieser Beitrag wurde von Huri Mendoza, Global Director of Operational Excellence bei Hella KGaA, verfasst.
Darin erklärt er, wie ein KI-Tool Hella dabei geholfen hat, Zykluszeiten zu verkürzen und die Produktivität sowie die Gesamtanlageneffizienz zu steigern. Die Ergebnisse sind so überzeugend, dass das Tool nun unternehmensweit eingeführt wird.
Innovation und Geschwindigkeit sind entscheidende Faktoren
Die Automobilindustrie ist eine stark prozessorientierte Branche, deren Erfolg in erster Linie auf erheblichen Skaleneffekten oder der Skalierung der Produktion beruht. Innovationen müssen sehr schnell in großem Maßstab umgesetzt werden und es ist entscheidend, immer auf dem neuesten Stand der Technik zu sein.
Es ist daher nicht verwunderlich, dass künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen seit geraumer Zeit in aller Munde sind. Sie werden bereits in vielen Bereichen der Automobilindustrie eingesetzt: vom Design über die Fertigung und das Marketing bis hin zu den Fahrzeugen selbst.
Manuelle Arbeit und KI verbinden
Hella bildet da keine Ausnahme. Wir sind ständig auf der Suche nach Werkzeugen und Technologien, die die Genauigkeit und Geschwindigkeit in unserer Produktion steigern. Als wir erfuhren, wie KI-Analysen mit manuellen Fertigungslinien verbunden werden können, um Fehler zu reduzieren, die Produktion zu beschleunigen und einen Mehrwert zu schaffen, wurden wir daher hellhörig.
Hella verfügt über eine gut funktionierende Betriebsorganisation, sodass es schwierig sein kann, für eine neue, noch nicht erprobte Technologie zu argumentieren. Als wir jedoch vorschlugen, KI einzusetzen, um verborgene Optimierungsmöglichkeiten zu finden, waren fast alle sofort begeistert. Natürlich half es, dass wir eine visionäre Führung haben, die erkannte, dass dies einen Mehrwert schaffen und uns ermöglichen würde, über das derzeit für möglich Gehaltene hinauszugehen.
Für den Proof-of-Concept-Test wählten wir eine Elektronikmontagelinie in einem Hella-Werk in Mexiko aus. Wir entschieden uns für eine „durchschnittliche” Linie, da wir davon ausgingen, dass die Ergebnisse dann besser auf andere Linien übertragbar sind. Das hat so gut funktioniert, dass wir beschlossen haben, Pilotprojekte in fünf weiteren Ländern durchzuführen.
Einfachere und schnellere Behebung von Ursachen
Was bringt also ein KI-Tool? Zunächst einmal ermöglicht es Herstellern, drei wichtige Fragen zur Optimierung ihrer Montagelinien zu beantworten:
- Was ist gerade passiert?
- Was passiert gerade?
- Wie können wir den nächsten Schritt verbessern?
Der Anbieter des KI-Tools installierte dazu Kameras an zwölf Stationen der Fertigungslinie in Mexiko. Diese maßen automatisch jeden Zyklus an den Stationen und lieferten eine lückenlose visuelle Rückverfolgbarkeit. Dadurch lassen sich die Ursachen von Problemen einfacher, schneller und strukturierter finden. Wir konnten aus erster Hand sehen, was passiert ist. Das passt gut zu unseren etablierten Lean-Manufacturing-Methoden, bei denen die Beobachtung eine grundlegende Rolle spielt.
Der Einsatz von KI ist großartig, aber Sie müssen das Tool in Ihr Fertigungsmanagement-Toolkit integrieren, um dessen Vorteile nutzen zu können. Zwar können Sie viele Videos in nahezu Echtzeit erstellen, aber Sie müssen wissen, wonach Sie suchen, und die Ressourcen bereitstellen, um die Videos anzusehen und Lösungen und Korrekturmaßnahmen zu entwickeln. Sobald Sie dies tun, werden Sie systemische oder systematische Probleme viel schneller finden und können auf der Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse kontinuierlich Verbesserungen vornehmen.
Einfache Verbesserung weiterer Fertigungslinien
Unsere Ergebnisse sprechen für sich. In Mexiko konnten wir erhebliche Verbesserungen erzielen. Wir haben die Zykluszeiten verkürzt und die Produktivität sowie die Gesamtanlageneffizienz (OEE) gesteigert. Diese Verbesserungen konnten über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten werden, was zu einer jährlichen Kapazitätssteigerung von Zehntausenden von Komponenten führte.
Wir verfügen nun über einen festgelegten Prozess für die Integration des KI-Tools, sodass wir die Kameras bei Bedarf schnell und unkompliziert an einen anderen Standort verlegen können. Dadurch wird die Logistikkette erheblich verkürzt und die Einarbeitungszeit reduziert.
Nachdem wir das Tool beispielsweise in unserem Werk in Delhi, Indien, installiert hatten, erhielten wir den ersten Bericht in weniger als zwei Monaten und benötigten anschließend nur etwa einen Monat, um das Tool zu optimieren. Innerhalb kurzer Zeit konnten wir unsere Zykluszeit deutlich reduzieren. Natürlich muss man über die entsprechende Infrastruktur verfügen und Zeit und Mühe investieren, doch es fielen keine Investitionskosten an.
Enge Zusammenarbeit zahlt sich aus
Ich möchte die Beteiligung und Rolle des Lösungsanbieters an unserem Erfolg hervorheben. Er hat maßgeblich dazu beigetragen, das System zum Laufen zu bringen, und uns mit Rat und fachkundigem Feedback zu Verbesserungsmaßnahmen und Prioritäten unterstützt.
Wir stehen nun in regelmäßigem Kontakt mit dem Lösungsanbieter, arbeiten als ein Team und halten wöchentliche Besprechungen ab, an denen seine Mitarbeiter, Mitarbeiter aus den verschiedenen Standorten und unser Projektmanagement teilnehmen. Dies ist ein hervorragendes Forum, um Probleme und Lösungen zu identifizieren und Korrekturmaßnahmen zu verfolgen.
Eine menschenzentrierte Lösung
Wir haben festgestellt, dass diese KI-Technologie sehr menschenorientiert ist. Sie hilft dabei, manuelle Arbeit ins 21. Jahrhundert zu bringen. Allerdings ersetzt sie nicht den Fertigungsingenieur, was für uns eine kleine Umstellung bedeutete. Für die Umsetzung von Änderungen ist weiterhin ein Fertigungsingenieur notwendig. Mit KI können diese Änderungen jedoch in viel größerem Umfang, schneller und regelmäßiger durchgeführt werden.
Außerdem können die Bediener bessere Leistungen erbringen und Aufgaben oder Verantwortlichkeiten übernehmen, die zuvor nicht möglich waren. Dadurch können sie sich zunehmend auf wertschöpfende Aufgaben konzentrieren. Darüber hinaus sind die Arbeitsplätze ergonomischer, was den Komfort und die Produktivität der Bediener erhöht und zur Steigerung der Kapazität beiträgt. Infolgedessen haben sich sowohl die Mitarbeiterzufriedenheit als auch die Produktqualität verbessert.
Axis-Kameras sind ein wichtiger Faktor
Im Zusammenhang mit der von uns verwendeten KI-Technologie taucht immer wieder die Frage nach der Sicherheit auf. Wie schützen Sie die Privatsphäre der Bediener? Hella und der Lösungsanbieter haben gemeinsam daran gearbeitet, die Einhaltung der DSGVO sicherzustellen. Und das nicht nur in Europa, sondern für alle Hella-Mitarbeiter weltweit.
Die Technologie der neuesten Kamerageneration von Axis, die für diese Art von KI-Implementierungen verwendet wird, ist dabei ein wichtiger Faktor. Ohne ihre Edge-Anonymisierungsfunktionen wäre eine weltweite Implementierung fast unmöglich.
Dies ist ein Thema, mit dem man sich im Vorfeld auseinandersetzen muss. Das haben wir in Gesprächen mit Personalabteilungen, Rechtsabteilungen und Gewerkschaften an verschiedenen Standorten gelernt. In der Regel beginne ich solche Besprechungen damit, dass ich die Live-Unschärfefunktionen vorführe und betone, dass wir die Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen verbessern wollen und nicht einzelne Bediener herausgreifen möchten.
Dies könnte eine bahnbrechende Neuerung sein
Aufgrund der positiven Ergebnisse werden wir diese KI-Technologie auch in anderen Werken des Unternehmens einführen. Bislang haben wir sie an fünf Pilotstandorten für manuelle Montagelinien installiert.
Obwohl dieses KI-Tool auf manuelle Arbeit ausgerichtet ist, ist Hella hoch automatisiert. Daher haben wir begonnen, zu testen, wie die Technologie im automatisierten Betrieb funktioniert. Wir hoffen, dass sie Videomaterial liefert, das uns in Verbindung mit den Analysen dabei hilft, etwaige Störungen zu finden. Wenn alles wie erhofft funktioniert, könnte dies eine bahnbrechende Neuerung für Hella sein.
Über den Autor Huri Mendoza ist Global Director of Operational Excellence bei der Hella KGaA in Lippstadt, Deutschland. Er ist seit 22 Jahren in verschiedenen Positionen bei Hella tätig, seit 2014 leitet er seine Abteilung und erzielt dort große Produktivitäts- und Innovationserfolge für das gesamte Unternehmen. Er hat einen MBA in Finanzen der ITESO-Universität in Mexiko, ein Managementzertifikat der University of Southern Indiana in den USA sowie einen BSc in Chemieingenieurwesen der ITESO-Universität. Derzeit bereitet er seine Dissertation vor, um einen DBA in Management an der OUS University in der Schweiz zu erwerben.